Golf3 Fahrer aus Bielefeld schon abgemahnt?
Von admin | 23. Oktober 2009 | Kategorie: Bielefeld | Keine Kommentare »Wenn große Marken plötzlich ihre Kunden, Fans und potentielle Multiplikatoren mit Massenabmahnungen überziehen, geht der Schuss schnell nach hinten los.
So auch im aktuellen Fall eines weltbekannten Outdoor Equipment Herstellers, der seine markante Bärentatze als Marke noch besser geschützt sehen wollte und Blogger, Designer und sogar Hobbybastler mit völlig überzogenen Abmahnungen traktierte. Die Blogosphäre war wie gewohnt sehr schnell alarmiert und reagierte sofort mit einer für den Marken-Hersteller vernichtenden Image-Kampagne.
Als nach den chronisch verspäteten Redakteuren von SPON auch die NW aus Bielefeld auf die ungewöhnliche Marketing-Kampagne der Bärentatzen-Besitzer aufmerksam wurde, war der Spuk auch schon vorbei.
Ein Kleinunternehmer aus Borchen im Landkreis Paderborn, über den die NW berichtete, bleibt von einem Prozess wegen Markenrechtsverletzung verschont. Denn der Outdoor-Ausrüster lenkt ein und will seine umstrittenen Abmahnungen gegen Kleinhändler zurücknehmen. Nur gegen Kleinhändler?
Das in Netzpolitik sehr kompetente Blog netzpolitig.org hat da so seine Zweifel. Das Minimalziel sei erreicht, ein für alle Beteiligten akzeptabler Kompromiss wird angemahnt und überhaupt: Abmahnungen seien kein Mittel eine Marke nach vorne zu bringen und machten die mühsam aufgebaute Kundenbindung durch eiskaltes Rechtsanwaltsgehabe nachhaltig zunichte. So weit, so gut.
Zweifel am Vorgehen des Outdoor-Ausrüsters bleiben dennoch. Zu eiskalt und gönnerhaft sind deren Begründungen für den vermeintlichen Rückzug: Er gibt sich zwar zerknirscht, hat aber seine Ziele erreicht. Kleine Fische wurden abgeschreckt, die deutsche Öffentlichkeit weiß nun Bescheid, wo der Hammer hängt. Das Unternehmen werde in Zukunft zunächst auf anwaltliche Schritte verzichten und selbst Kontakt aufnehmen. “Anwaltliche Hilfe soll in Zukunft erst ein letzter Schritt sein.”
Der Gesetzgeber hätte diese nachgereichte Einsicht schon länger vorweg nehmen können, um dem immer weiter um sich greifenden Abwahnwesen eine Absage zu erteilen. Es reicht völlig aus, eine erste Abmahnung ohne Aufwandsentschädigung für Rechtsanwälte gesetzlich festzuschreiben.
Damit könnte sogar volkswirtschaftlicher Schaden vermieden werden, wenn die großen Firmen mit offenbar völlig überbesetzten Rechtsabteilungen nicht in der Lage sind, sich erst mal im Netz über den Streisand-Effekt zu informieren. Der besagt nämlich, dass der Versuch, bestimmte Informationen zu entfernen, dazu führen kann, dass diese noch stärker verbreitet werden.
Wie kann es dazu kommen, dass ein in der freien Natur und an vielen Stellen des öffentlichen Lebens auftretender Fußabdruck zum Privateigentum wird? Ob der leichtsinnige Fahrer des in Schildesche gefundenen weißen Golf 3 schon weiß, dass er mit seiner beklebten, bemalten oder sandig getupften Motorhaube einen Weltkonzern bis zur Weissglut getrieben hat und dessen juristische Keule vielleicht schon im Briefkasten liegt?
Mehr Hintergrundinfos zum bösen Wolf finden sich an vielen Stellen im Netz und fast allen ist schon aufgefallen, dass die deutsche Tageszeitung „taz“ schon Jahre vorher einen Tatzenabdruck benutzt hat und mit einem Agreement (keine Tatze auf verkaufter Kleidung) von dieser Bad-Image-Kampagne verschont blieb.
Und abschließend fragt man sich, was diese Marketing-Fritzen den lieben langen Tag so alles beim Gang ins Büro tun. Ein Kommentator bringt es auf den Punkt:
Das ein deutscher Outdoor-Bekleidungs-Hersteller von einem erst vor kurzem unternommenen Gang nach Canossa eines deutschen Sport-Bekleidungs-Herstellers nix mitgekriegt hat, ist schon irgendwie: peinlich.
Hier wird auf den Versuch des Sportartikelherstellers Jako angespielt, der den Duisburger Blogger Trainer Baade per Abmahnung finanziell unter Druck setzen wollte und scheiterte. Der Imageschaden für das Unternehmen bleibt.
Über Jahre hinaus wird der Begriff “Abmahnung” auch mit einer Tatze gestempelt sein und so mancher Blogger mag nicht mehr mit deren Winterjacke auf der Straße gesehen werden.